Gedichte 
- aus Zeitungen und Zeitschriften, die nicht in den Werken erschienen sind,
- aus Manuskripten, bisher unveröffentlicht,
- chronologisch sortiert
1894-1915 |
In des Westens mildem Wehen hab den Frühling ich gesehen. Und es trug der holde Knabe in den ausgebrei'ten Armen seine erste Lenzesgabe, für die Reichen, für die Armen ... Hermann Claudius (ca 1894) zitiert bei Bernd Borg in "Die deutsche Nordmark" Schleswig vom 19.10.1929; danach sollen es die ersten Verse des sechzehnjährigen Selektaners Hermann Claudius gewesen sein. Dem Waldesrauschen hab ich gelauscht, wenn der Sturm in seinen Wipfeln rauscht mit allgewaltigen Schwingen. Ich stand im Walde, als alles schwieg, eh noch die Sonne am Himmel stieg, die Vögel noch mochten singen. Wald, sing mir noch einmal dein Wiegenlied, dass Ruh in meinen Busen zieht, der nimmer ruht und rastet! Umfang noch einmal mit deiner Ruh den raschen Geist, der immerzu nach ihrem Bild nur hastet. Hermann Claudius 1900 in Mspt: Dasein im Gedicht Es küsset sich dein roter Mund gar so wunderbar. Es fühlet sich so lockend weich dein rabenschwarzes Haar. Dein dunkles Auge stets aufs Neu erschrickt das Herze mein. Doch weh des immer bitteren Hohns: Tor, sie wird nimmer dein! Hermann Claudius (um 1900) Seiner Ziska am 29. Jänner 1908 mittags um Eins. Da – wie ich eben Dich so sah – dacht ich an unsrer Liebe Glück . . . Es flog ein heller Schein zurück davon, wie mir zuerst geschah als ich Dich sah. Die kleine Stadt lag mittagstill. Da kamst Du um die Ecke her. Das Jäckchen braun. Die Spitzen weiß . . . Es stieg mir in die Augen heiß. Mir ward ums Herz so leicht, so schwer - - - Weiß Gott! Ich wußt es selbst nicht mehr. Wir grüßten uns und sprachen leis und reichten uns die Hand und dann . . . sahst Du mich eigen an (Rest in Steno geschrieben, übernommen von einem anderen Textblatt:) Da wußt ich´s gleich und wußt´ es nicht. Doch ward ich laut und frei und froh und sang im Wald mein Holdrio - - - - Und heute sah ich Dein Gesicht g´rad wieder so. Min Paddelleed Min Paddelboot, min Paddelboot, ick bün di heel vun Hatten goot, as weerst du gor min Brut. Wo büst du rank, wo büst du slank, wo stur un seker is din Gank, wo lustig kickst du ut! Min Paddelboot, min Paddelboot, ick bün di heel vun Hatten goot as minen besten Frünn. Wo week umfött mi deepe Roh, bald ick mit di verswewen doh in rode Awendsünn. Min Paddelboot, min Paddelboot, wi sünd uns heel vun Hatten goot un wüllt dat bliwen sacht, wüllt heemlich uns vertellen wat, wenn üm uns rüm so grot un swatt den Mantel hangt de Nacht. in: NHZ 17.07.1911 Sieg! Von Hermann Claudius Beim allerersten Tagesschein - S e i n e soll die erste sein! - Faßt er die Fahne mit zitternder Hand. Sie warfen die Feinde aus dem Land. Sein Sohn, sein Sohn, war auch dabei! Hinaus nun, Fahne, schreie, schrei': "Sieg! Sieg!" Ob er noch lebt? Einerlei, die Fahne schwebt! Einerlei, das Land ist frei! Flattre, Fahne, schreie, schrei': "Sieg!" In: Daheim, Berlin 51.J Nr. 23 S. 25 vom 6.3.1915 |
1919 |
Maifeier! Maifeier! Das Wort kommt trotzig schwer aus Enge und Dunkel und Drangsal her. Es stöhnte auf hinter Amboß und Rad und trieb den Mann aus der Werkelstatt, aus dem grauen, grinsenden Einerlei hinaus in das Leben, den Lenz, den Mai. Kein Sonntag, kein Festtag nur - nein: mehr! Ein hohes Symbol dem werkelnden Heer. Heraus aus Fabriken, Zechen und Gruben! Weib, Kinder, heraus aus den Hinterstuben in den schwellenden, sonnenseligen Mai, aus eigenem Willen von Pflichten frei. Aber Amboß und Hobelbank, an denen am Morgen kein Klappern klang, zogen Fratzen voll Galle und Wut und schrieen nach Arbeitsschweiß und -blut, schrieen .... Aber es blieb dabei: Wir feierten unsern e r s t e n Mai. Wir feierten ihn und hofften im stillen, es mög sich der heiße Wunsch erfüllen, daß einst am ersten Maientage der Ring sich um die Erde schlage von Mensch zu Mensch in Arbeit frei. Da sprang die Menschenschlächterei, der Krieg mit Hohn und Haß und Bann, mit List und Lug und Trug ihn an, Hunger und Not und Tod packten zu, bis der Ring zerriß. Ich und du fühlten wie einst in Kindertagen unsern jungen Glauben zerschlagen. Wollten "Brüder!" rufen - und griffen ins Leere. Im Bruderblute stampften die Heere vier Jahre lang. Schmach und Schande wälzten sich über Menschenlande. Das Kapitalismusungetier schlang sich satt in blinder Gier. Und der stumpfe Soldatendrill hielt ihm die zuckenden Opfer still. Auf einmal - wer rief es zuerst - das Nein! Wir wollten nicht länger Schergen sein, dem nimmersatten Untier zur Fron. Auf sprang die Novemberrevolution, fuhr wie Sturmwind über das Land, wie eine packende Riesenhand. Finger griffen nach Fürstenkronen, schleppend schlichen von ihren Thronen Könige. Die Kulissenwand fiel, was jahrhundert gegründet stand. Verbrieftes Unrecht zerstob in Wind. Auf stand das Volk, das große Kind, und teilte über Schule und Graus mißachtete Rechte fröhlich aus. Und konnt doch nicht wehren, daß grimme Not sein heiliges Antlitz flackernd umloht. Und konnt doch nicht ändern, daß Unverstand mit Fäusten schlug nach der spendenden Hand. Heut aber leuchtet des Volkes Blick: Maifeier - wir schaun nicht zurück. Maifeier - wir äugen voraus. Wir sehen die Welt ein weites Haus von Brüdern und Schwestern Hand in Hand, All-Erde ein einiges Menschenland. Maifeier - der Brudertag der Welt, der alle Menschheit umschlungen hält. Maifeier.... Heute n o c h Traumgesicht. Aber es bleibt bei dem Träumen nicht. Es geht um die Erde ein großes Geschehn. Alle Völker werden es sehn. Menschen der Arbeit nach Freiheit fassen, wir aber wollen von dir nicht lassen. Maifeier, du Bruderkranz, schließe dich um die Erde ganz. H.Claudius In: Hamburger Echo 33.J Beilage zu Nr. 198 vom 30.4.1919/A Göd Michel En Drinkleed! All duster Nacht. Dor knarrt wat her. Dree Wagen lang. Dree Wagen swör. Hüho! Wat treckt de Peer! Dree Lüchten lücht bargop, bargopp. En swadden Rider ritt vörop, voröwerbögt den Kopp. Dree Släg he sleit an't eken Dor. Sin Stimm is hell, sin Stimm is klor: Göd Michel, de is dor! Dree Koggen föhrn bi Helgoland. Ei wull, wat weern wi gau tor Hand: Nu sitt se up den Sand! En Arbeit weer't, nu sünd wi mör. Ei wull, en Krog Einbeker Beer, den lang mi foorts mal her! Heiho, dor blast se Fackeln an! Heiho, dor sät se Mann bi Mann. Dor gung een Supen an! Göd Michel, as he nicks mehr funn - he was de letzte, de noch kunn - keek rümmer in de Runn. Dunn sleek de Düwel in de Dör: Göd, wullt du Supen. Ick bring mehr! - Manto, man jümmer her! - - - - - - - - - - - - Nu hett sin Seel in't Graff keen Roh. Nu mutt se supen jümmerto, mutt supen jümmerto! Un wo Johanni in de Nacht twolf Drinker drinkt, dor kummt he sacht un suppt mit ole Macht! H.Cl. (Hermann Claudius) In: S. 14-15, Faksimile in einem 16 seitigen Heft mit Zeichnungen. Vermerk auf S.16: Druck von Gebr.Sülter. Hamburg, evtl. aus 20er Jahren, keine weitere Identifizierung möglich. Da auch die vorige Seite 13 von Claudius geschrieben wurde, ist anzunehmen, dass das ganze Heft ähnliche Balladen von Claudius enthielt. Auch die Randzeichnungen scheinen von ihm gefertigt worden zu sein. |
1920-1922 |
Hadere nicht, ward dir ein Wunsch nicht erfüllt. Immer bleiben die Götter dir heim- lich gewillt. Immer wissen die Ewigen besser als du, Was dir zu deiner Reise dient, deiner Ruh. Immer über den Hügel dir voraus Wissen die Götter den heimlichen Weg nach Haus. Hermann Claudius 1920 Kik op din Klock, min gode Mann: Wenn jedes Rad wat anners wull, wo wies se dann de Tid wull an? Herm.Claudius In: Hamburger Echo 34.J Die arbeitende Jugend Juli 1920 An Heinrich Wolgasts Bahre. Und unterm Dämmerschein verhangnen Lichts sah ich in Deine todesstarren Züge. Da stand es ohne worteschöne Lüge, das furchtbare Hinunter in das Nichts. Ich ging davon. Und enger noch um mich als wie von Deiner Bahre losgerissen schlug sich wie kaltes Totentuch das Wissen der grenzenlosen Einsamkeit des Ich. Herm.Claudius 2. u. 3.letzte Zeile vom Dichter wie folgt handschriftlich geändert: und wie von Deiner Bahre losgerissen wie kaltes Totentuch schlug sich das Wissen (Heinrich Wolgast, der Hamburger Schulreformer, * 26.10.1860 in Jersbeck + 29.08.1920 in Hamburg) In: Pädagogische Reform. Zeitschrift der Hamburger Lehrmittel-Ausstellung. Hamburg 44.J Nr.36 vom 8.9.1920 S.1 Dat Wunner Wenn sunn lütt Kind sick högen deit, so recht ut hoge helle Freid - sin Ogen lücht, sin Haar, dat weiht! - denn is't, as wenn sin Aten geit, as wenn sin frame Hand di eit, de achter Dod un Lewen steit un kickt di an. Ne'm blewen Not un Sorg un Sük un Angst un Dod? Dat düp hendal in deepen Sod. Di is so wunnersam to Mot. Un't is en lachen Kind man blot un kickt di an . . . . . . Herm.Claudius In: Frauen-Beilage des Hamburger Echo 3.J Nr.12 vom 25.12.1921 Mag meine Augen decken mit meiner schweren Hand: und seh dich desto heller an der dunklen Wand. Mag meine Ohren tauben, als wären sie beide tot: Und höre desto lauter unserer Liebe Not. Wär ich doch die Geige hart an deiner Brust, zitternd mitzuklingen all dein Leid und Lust! Hermann Claudius 1922 vgl BL 29 Gr - - Ich sehe dich durch alle Wände. Ich fühle dich durch alle Luft. Ich fasse immer deine Hände und atme deines Leibes Duft. Ich habe dich aus mir geboren. Vielleicht bist du es selber nicht, die irgendwo im Raum verloren mit einem andern geht und spricht. Hermann Claudius 1922 (BL 45) Int Boot Oewer't Boot sin smalle Kant in dat Water langt min Hand. In den Heben drömt min Og. Wulken, Water - dat's genog. Un min Seel flüggt op un aff: Hewen, Lewen - Dod un Graff. Herm.Claudius In: Hamburger Echo - Die Neue Welt Nr.9 Mai 1922 S.34 Fuhlsbüttel, ant Alsterknee Den Weg hendal na't Water, dar stat so hoge Böm. Den Weg hendal nat Water, dar gah ick geern un dröm. De Minschen lopt so hasti, as harrn se all keen Tid. De Minschen lopt so hasti, as mussen's all noch wid. De Böm, de stat dar jümmer un jümmer still un grot. De Böm, de stat dar jümmer. Wat ielt de Minschen blot? Herm.Claudius In: Hamburger Echo - die Neue Welt Nr.9 Mai 1922 |
1923-1926 |
As de Nachdigall slög . . . Op Dütschland liggt dat Schicksal swör. Ick wöhl int Bett mi hen un her, Halw wak un half noch Dromgesicht. Is dat en Kind nich, dat dor schriggt, Dor buten wid? As harr't den Weg Verlar'n un fünn sick nich mehr trecht Un stünn un keek den dustern Gank Mit Ogen grot un angstli lank Un reep un keek un kunn ni mehr ... Op Dütschland liggt dat Schicksal swör. In: Hamburger Echo Beilage Die Neue Welt Nr. 10/1923 zu Nr. 137 vom 20.5.1923 Durch unsre Kammer geht ein Laut, nur dir vertraut, nur mir vertraut. Wie einer Eule Flügelschlag. Es hört ihn niemand übertag. Die Mitternacht erst macht ihm Mut. Dann steht er auf in unserm Blut. In meinem Blut und heischt nach dir. In deinem Blut und heischt nach mir. Und gibt nicht eher Rast und Ruh, bis daß wir Eines: ich und Du. Und diese summt, nur uns vertraut, durch unsere Kammer hin der Laut. 16.VII.24 HermClaudius (angefügt:) Urton, der in der Schöpfung schlief. Urruf, der alles Leben rief. Durch unsre Kammer geht ein Laut, nur mir vertraut, nur dir vertraut. Wie einer Eule Flügelschlag. Es hört ihn niemand übertag. Die Mitternacht erst macht ihm Mut. Dann steht er auf in unserm Blut. In meinem Blut und heischt nach dir. In deinem Blut und heischt nach mir. Urton, der in der Schöpfung schlief. Urruf, der alles Leben rief. Durch unsre Kammer geht ein Laut, nur dir vertraut, nur mir vertraut. Hermann Claudius (Mspt 16.7.1924) In: Der Wagen, Lübeck 1939 S.157 VII. Wir wollen gleichwie edler Wein die Glut tief in uns sammeln und wollen klar und gut und rein, abhold dem Wortestammeln, einander ansehn Hand in Hand und also stummberedt das Land, das breite Stromland unserer Ruh, getrost durchschreiten: ich und du Hermann Claudius (Aus dem Zyklus: Heilige Ehe - übernommen in H 78-84; hier die Strophe VII ausgetauscht) In: Kunstwart und Kulturwart. München 38.J H.1 Okt. 1924 S.25-27 Silbermuschel - (für Hanna Möller) Von Herm. Claudius Wie eine Muschel, die ich aus dem Sande ans Ohr mir halte, immer raunt vom Meer, so singt, o Mädchen, wenn ich dein gedenke, das Lied von unserm Lieben um mich her. Das rinnt und raunt von heller Wellenweite, die leuchtend, lockend uns zu Füßen lag. Das raunt und rinnt von wolkenschwerem Traume, der uns umnachtete am hellen Tag. So gleichst du, Mädchen, jener Silbermuschel, die ich ans Ohr mit stiller Andacht heb, daß hin durch ihr erstorbenes Gehäuse noch einmal hell die Meereswelle beb. In: Zeitung für Li.... Hamburgischer Correspondent Nr.256 vom 2.11.1925 An ein junges Mädchen Sie klingen nicht umsonst so gleich, Liebe, Leid, Lied. Sie sind so Hölle als Himmelreich, Liebe, Leid, Lied. Sie kommen, wie die Winde gehn, Liebe, Leid, Lied. Du mußt es lassen still geschehn. Liebe, Leid, Lied. Halt nur dein Herze immer hin - Liebe, Leid, Lied. Das ist des Lebens weher Sinn. Liebe, Leid, Lied. Denn wen sie ließen bar und frei, Liebe, Leid, Lied, der lief am Leben doch vorbei. Liebe, Leid, Lied. 1926 |
1928-1931 |
Deutsche Hymne Land der ewigen Gedanken, Deutschland, Deutschland, Jugendland! Stehe fest und sonder Wanken, Land der ewigen Gedanken, in der Zeiten Wirbelbrand! Land der unbesiegten Liebe, Deutschland, Deutschland, Herzensland! Mitten in dem Machtgetriebe, Land der unbesiegten Liebe, halte du in Treuen stand! Land der schwielenharten Hände, Deutschland, Deutschland, Arbeitsland! Fühle deine Zeitenwende, Land der schwielenharten Hände, halt den Knechtegeist gebannt! Land, vom großen Bruderglauben an die Menschheit noch erfüllt: Deutschland, laß ihn dir nicht rauben! Wahre deinen Menschheitsglauben klar und fest in deinem Schild! Deutschland, Deutschland, Volksliedklingen in der Völkerweltmusik: [1928: in dem Völkerweltenchor] Volk, mein Volk, o mög dein Ringen um dich selber dir gelingen! Vaterland, empor! empor! Hermann Claudius In den zwanziger Jahren lautete der offizielle Hymnenschluss, (auch in der graphischen Gestaltung durch Karberg): Deutschland, Deutschland, Volksliedklingen in der Völkerweltmusik: Volk, mein Volk, o mög dein Ringen um dich selber dir gelingen! Heil der Deutschen Republik! "Der ewige Tor" übernahm 1928 die ursprüngliche Fassung - T 93. In Liederbüchern nach 1933 wurden die beiden letzten Strophen weggelassen. Hymne auf Rio Rio de Janeiro, du heiterste aller Hetären der Erde! Süß ist dein Hauch wie der Duft des Mangobaumes zur Nacht. Lässig trägst du dein Haupt wie die Königspalmen entlang dem Canal do Mangue, der müde sie spiegelt. Jäh ist dein Wuchs wie der Pao do Assucar, wie der Scheitel des Corcovado, den trunken Schmetterlinge umgaukeln, die samtenen-blauen. Die Lust deiner Lenden leuchtet von der Praia Flamengo, der Praia Ipahoma und wahrlich der Copocabana. Europäisch prangst du mit deiner Avenida Rio Branco, doch in der Rua do Ouvidor zittert dein Herz! Menschen nur faßt ihre Enge, nicht Räderknarren noch Hufschlag noch das gelle Hupen der Autos stört, Paradiesisch mischt sich alles und lacht, leuchtet wie Kolibris, einer hat am andern Lust! O du baccantischer Tanz! Schwarze, Gelbe und Braune mehr als Weiße. Verbrüdert schwingt der Reigen sich hin, wo der Ozean lockt. Portugiesisch schlägt hier seine zierlichsten Wellen. Rio, sonnenbrünstige Stadt! Schöne Hetäre, leb wohl! Hermann Claudius - 1930 für eine Reisestudie W I R Wir sind die große Wende, die durch die Zeiten bricht. Unsere harten Werkhände wandeln der Erde Gesicht. Wir sind das große Wollen, langsam, Schritt um Schritt. Unsere Frauen und Kinder schreiten gläubig mit. Wir sind die große Welle, Sintflut unserer Zeit. Tauch unter, alte Erde! Neue, wir sind bereit! Neue Erde, werde unter unserer Hand! Steig herauf, du freies Menschenbruderland! Vertont von Walter Rein 1931; Deutscher Arbeiter-Sängerbund Berlin; DAS Nr. 1443 |
1932-1934 |
Herbstlicher Abendgang Die Erde dämmert unter meinen Füßen. Vom Himmel sinkt das letzte rote Licht. Mir hinterm Rücken droht das Mondgesicht. Ein erstes Sternlein will mich freundlich grüßen. Aus dunkeln Bäumen äugt auf mich die Stille Und wartet auf die Mutter, auf die Nacht. Sie kommt und öffnet ihres Mantels Pracht. Und alles überschattet nun ihr Wille. Und seltsam mischen Nähe sich und Ferne. Und eines hebt sich aus des andern Schoß. Ich rag' ins Dunkel wie ein Riese groß. Und meine Schritte taumeln in die Sterne... In: Berliner Tageblatt 61.J Nr. 152 vom 31.3.1932 Der Wanderer Von Herm. Claudius Ich lieg' am See und atme mit den Wellen, lieg' unterm Baum und atme mit dem Blatt. Mein Auge wandert hin und sieht sich satt an grünen Fernen, die im Licht verquellen. Die Blätter singen und die Wasser sagen das süße Lied seliger Gegenwart. Ich hab's in meinem Herzen mir bewahrt und trag' es fort zu fernen, fernen Tagen ... In: Hamburger Fremdenblatt 104.J Nr.185/A vom 5.7.1932 S.1 verändert und erweitert übernommen in D 108 Ursula Freu Dich des Spiels am klingenden Flügel, Tochter! Herrlicher ist’s einzutauchen tief in den Geist der vergangen, und der dennoch lebendig ist, kaum lebendiger ist! Genien flattern umher, sieh auf, sieh: spürst du sie? - schweben leuchtendes Gewandes und lächelnd bald in Dein Spiel, bald ferne sind sie gewichen, dem Geiste nach der gezeugt, den sie zeugten, wer weiß es? Freu Dich des klingenden Spiels 23.6.33 HClaudius Dichtergrüße zum 60jährigen Bestehen des "Reichsboten", der Zeitung des Evangelischen Bundes: Der Reichsbote mit frommem Stab er ging die Lande auf und ab, er ging die Lande her und hin und weckte guten deutschen Sinn. Sein Blick war hell, sein Wort war klar. So hielt er es durch sechzig Jahr. Es war ihm keine Tür zu klein, er bückte sich und trat hinein, gleich unserm Herren Jesus Christ, der auch zu den Geringen gegangen ist. Es war wohl manchmal harte Zeit und alle deutsche Hoffnung weit. Jedoch des Boten Wort blieb stät und war ihm heiliges Gerät. Nun da das Reich neu aufgericht', ist heiliger noch des "Boten" Pflicht, setzt er noch fester seinen Stab die deutschen Lande auf und ab, geruhig, fest und treu und wahr. Gott segne ihn noch manches Jahr! HermClaudius In: Der Reichsbote. Berlin 1. Beilage zu Nr.165 vom 23.7.1933 Der Berg - De Barg Wir sind der Berg von Schwergewicht, der Berg mit Ewigkeitsgesicht, der Berg, den nichts verschleppen kann und zögen tausend, tausend Rosse an. Wir sind der Berg von Schwergewicht: Volk! Volk! Volk! Volk! In diesem Berg, von Erd bedeckt, liegt eine Höhle tief versteckt, ist eine Türe, ist ein Raum, träumt eine Seele wachen, wachen Traum. Träumt eine Seele wachen Traum: Volk! Volk! Volk! Volk! Klirrt schon das Schloß? Sprang schon das Tor? Klang schon das Hohelied hervor? Sang schon die helle Melodei: Steh auf! Steh auf! Steh auf! Du wurdest frei. Klirrt schon das Schloß? Sprang schon das Tor: Volk! Volk! Volk! Volk! Es klang doch so. O du, o du. Du Tor der Freiheit schlag nicht zu! Der Berg, der rollt! Der Berg, der bebt! Gib Raum dem Leben, daß er lebt, daß er lebt: Volk! Volk! Volk! Volk! Hermann Claudius Für die Vertonung durch John Julia Scheffler (1934) vom Dichter ins Hochdeutsche übertragen Verlag Ernst Eulenburg, Leipzig |
1935-1936 |
Schlehen Bin heute bei den Schlehen vorbeigegangen. Sie haben leise zu blühen angefangen. Es war ein süßes Geheimnis um sie her. Lass dich’s durchschauern, Seele – was willst du mehr? Und bist du alt geworden, werd‘ wieder jung! Lass dich durchrieseln süße Erinnerung. Und musst du auch um deinen Frühling dich mühn: siehe, die Dornen am Wege, die Dornen blühn! Hermann Claudius 17.10.1935 Hummelsbüttel – Fuhlsbüttel Alter Baum. Baum - deine grüne Krone hebst du stumm in den Himmel. Meine Worte - ach! - fallen wie raschelnde Blätter um mich. Was aber stumm in mir gewesen seit je, reckt in den Raum seine grüne Krone wie du. Wohin denn will es? Was fragt alle Klugheit? Unsere Geburt deckt das Dunkel. Und beim Sterben hält ein anderer uns das Licht. Lehr mich Ehrfurcht, Baum, vor dem Unbegriffenen. Laß mich stumm vor ihm sein und ohne Rede - wie du. Hermann Claudius In: Berliner Börsen-Zeitung Unterhaltungsbeilage Nr.144 vom 25.6.1935 letzte Strophe geändert übernommen in U 52 Wär' der Allmächtige nicht in uns allen tiefinnen, würden wir immer aufs Neue beginnen? Mich Gealterten mit dem Haupte im Schnee, o, wie rührt mich die grüne Jugend, wo ich immer sie seh! Hermann Claudius handschriftlich von HCl auf einem Zeitungsausschnitt Nov. 1935 Fuhlsb.d.9.12.35 Mein lieber Hans Leip, ich halte Dich wert, aber mitunter erscheinst Du mir wie ein Pferd, das heimlich ausschlägt und beißt .... d.h. ich bin ein fanatischer Pferdefreund - und also ist es nicht bös gemeint ... Du denkst im Stillen: der gutgesinnte Esel (das Gleichnis ist garnicht verloren, denn mir hängen die Ohren und sind lang, außerdem habe ich Ähnlichkeiten im Gang mit dem Esel - lese übrigens demnächst in Wesel) ... Hier reißt mir der Faden ab. Ich werde früher ins Grab steigen als Du .. Eigen, daß man das denken kann! - Wenn sie dann alle stehn werden und ernste Gesichter machen .. lieber Hans, fang mal laut an zu lachen!! HermClaudius Mit vorzeitigem Familien- Weihnachtsgruß - an dem Abend konzipiert, an dem ich in Altona - Hauptmann- Kaiserhof Dein edles Antlitz schwinden sahe - HCl. Postkarte, abgestempelt: Hamburg 1 - 9.12.35 An Herrn Hans Leip Blankenese Süllbergterrasse Von Hans Leip auf die Anschrift notiert: Lieber Hermann Claudius, Käs is Käs un Wuhs is Wuhs, aber dennoch einerlei, wenn es nur von Güte ist und somit dem, der es frißt, scheinbar lecker und bekömmlich sei. Hans Leip 18.12.35 Die Postkarte wurde mit 2 weiteren Briefen von Hermann Claudius an Hans Leip und Hans Much bei Dörling, Hamburg im Dez.1991 für 300 DM versteigert. Morgen am Kieler Hafen Kampf ist wohl des Lebens ewige Mitte. Die Gelassenheit selbst dieser Zeilen, quillt sie scheinbar aus der Wasserweite, steigt sie doch aus meines Herzens Unruh. Stieg sie doch aus meines Herzens Unruh, wie die Sonne aufbrach dort im Osten, während alle Sterne still verblaßten, die der Nacht Geschmeide köstlich waren. Kriegerische Schiffe seh ich liegen, ungetüm die grauen Panzertürme. Und die langen Rohre der Geschütze sind ins Ungewisse ausgerichtet. So wie alles ernste Menschensinnen - - Nur die kleine Fähre, die dort schaukelt, voll bis an den Rand vergnügter Leute, weiß um ihren Weg und wo sie landet. Wie das Wasser wogt in dumpfer Unruh, so als suche es sich zu entrinnen! Gott - wer sagt, daß Du ein Gott der Ruhe - Gott der Unruh mir in meinem Blute? Auf ihr grauen kriegerischen Riesen! Fahrt hinaus und böllert in die Weite! Alle Ruhe ist verkapptes Wesen. Und der Kampf ist alles Lebens Mitte. (Juni 1936 Zeitung nicht zu ermitteln) D e u t s c h l a n d ! (Ewiges Volk) Gott hört die Völker. Doch Ihm ist die Zeit Gleich einem Faltenwurf an seinem Kleide. Jauchzen der Lust und Klageruf im Leide Verdämmern Ihm im Klang der Ewigkeit. Doch immer, wo ein Volk den e i n e n Ton Des E w i g e n fand in aller Flucht der Stunden, Hat es dem Geiste G o t t e s sich verbunden Und erntet in der Ewigkeit den Lohn. Mein Deutschland du - hab ich dich recht erkannt? Bist unter Gottes Völkern du das e i n e , Das auf den heiligen A n r u f eine reine Herzoffene und klare Antwort fand? Hermann Claudius Mspt - 7.3.1936 Dieses Gedicht, in der Nationalzeitung veröffentlicht, ist einem Brief von Hermann Claudius an Hans Grimm vom 13.3.1936 beigelegt [Möller 5, 76] Dem Licht entgegen Zum Neuen Jahre gelte das: Wir gehen unsern Weg fürbaß Dem Lichte zu durch Nebelschwaden. Und Gott der Herr woll' uns genaden! HermClaudius (Führende Staatsmänner, Politiker und zahlreiche andere Persönlichkeiten schreiben an das 12-Uhr-Blatt zum Neuen Jahr). In: Neue Berliner Zeitung – 12-Uhr-Blatt 18.J Nr.309 vom 31.12.1936 S.4 Der Mensch Der du uns schufest am Anfang der Tage, hör' vor den Tieren, Gott, meine Klage: Herr, du breitest deine edle Anmut aus überall. Mein Auge umgleitet mit Entzücken jeden freigewachsenen Baum. Das Reh, das durchs Dickicht lugt, erschrickt mich mit scheuer Schöne. Dein Frühlingszweig jauchzt, und der herbstliche Wald harft dir Choräle. Sag, warum mündet der Mensch nicht ein in den göttlichen Strom? Pflanze und Tier ruhn beschlossen in mir. Euch aber stieß ich hinaus in die Weiten, tausend Burgen der Lust zu erstreiten, tausend Tore des Leids zu durchschreiten und wissend den Weg zurück zu bereiten zu mir! Hermann Claudius vertont: Erwin Zillinger (1936) In: Der Zoologische Garten. Eine heiter-besinnliche Liederfolge. Kistner & Siegel, Leipzig 29012 |
1937 |
Dicht über unserer Laube da singt der Vogel Glaube. Weiß nur das Ein-und-Eine Und ist zutiefst das Seine. Du siehst die Sonne sinken, ein letztes Wolkenblinken Dann senkt die Nacht sich nieder und dunkelt Licht und Lieder Verborgen in der Laube da sagst du still: Ich glaube! Hermann Claudius Mspt (Handschriftlich auf dem Umschlag des Buches: Steinbach, Walter. Saure Wochen, frohe Feste! Berlin/Leipzig: Gustav Weise Verlag. 1937 Achtzig Jahre Achtzig Jahre bist du alt, Mutter! Doch dein Herz blieb jung. Und der Baum Erinnerung Hat noch Wurzel und Gestalt. Manchen Sturm hat er erlebt, Manchen Tag voll Sonnenschein. Manchmal stand er ganz allein Und bis tief ins Mark erbebt. Aber keine Stund' vergaß Er das liebe Himmelslicht, Hob aus Tränen sein Gesicht Wieder aufwärts und genas. Drei Geschlechter sahest du Rund um seinen Stamm erstehn. Ewig ist die Erde schön. Liebe Seele, gib nun Ruh. Liebe Seele, gib nun Ruh. Du bist doch mit dir allein. Lächelnd tritt der Herrgott ein. Und den Vorhang zieht er zu. Hermann Claudius In: Steinbach, Walter. Saure Wochen, frohe Feste! Berlin/Leipzig: Gustav Weise Verlag. 1937 S.26/27 Bei einer Taufe zu sprechen Was dir geschieht, Du selber weißt es nicht. So grüßt die Knospe Das Licht, Und so die Blume erblüht. Aber alles geschieht In dem großen Geschehen, Darinnen wir alle stehen Und kommen und gehen, Ein jeder zu seiner Frist. Doch ewig bleibet, Was Gottes ist. Hermann Claudius In: Steinbach, Walter. Saure Wochen, frohe Feste! Berlin/Leipzig: Gustav Weise Verlag. 1937 S.17 Alles nordische Land - - Alles nordische Land gehört dem Meer. Immer steigen die Nebel vom Meere her. Immer schmeicheln die Nebel mit weißer Hand zärtlich wie eine Mutter über das Land. Immer wieder und wieder in wilder Lust drückt die Mutter ihr Kind an die wogende Brust. Sieht nicht die Menschen mit immer neuem Mut ihre Hände heben gegen die Flut, harte Hände, vom Erden-Werken schwer. Unerbittlich ist die Mutter, das Meer. In: Volk und Kultur Nr.107, Unterhaltungs-Beilage der Berliner Börsen-Zeitung Nr.215/M. S. 11 vom 11.5.1937, hier andere Fassung gegenüber Juni 1937 Uem den Maiboom Von Hermann Claudius Den Maiboom lat uns bören! Wüllt danzen as de Gören! Mai is't eenmal bloß int Jahr. Dat hüt Maidag is, is wahr. All Pütt de gaat to Schören. Lat uns den Maiboom bören! Nu steit de Maiboom, steit! Sin bunten Bänners weiht. Nu fat jo an ton groten Krink. De Hög de is en runnes Ding. En Ding is't dat sick dreiht, wannehr de Maiboom steit. Lat uns juchen, lat uns jachtern! Sünd wi olt, denn staht wi achtern. Junges Volk is jümmer vören. Jed' een Putt geit mal to Schören. Hoch an' Heben singt de Larken. Grön, so grön staat Busch un Barken. Un de Püch in' Dik de quarken. Mai is eenmal bloß int Jahr! Dat hüt Maidag is, is wahr! Jungs un Deerns,. nu dreiht jo, dreiht! Juch! Wildat de Maiboom steit! In: Die deutsche Nordmark. Schleswiger Blätter für Heimat, Kunst und Literatur. Beilage zu Nr.100 der Schleswiger Nachrichten vom 30.4.1937 Und daß ich es nur eingesteh: es hat ein jeder Garten sein Stück Gethsemane. Da, wo dich packt das Bangen, als wärst du pharisäerisch in eigenem Garn gefangen. Du wendest dich und irrst im Rund, von deinen eignen Schritten sind deine Füße wund, bis deine Hand den Kelch gefaßt und bis zur Neige du Gottes Bitternis getrunken hast. Hermann Claudius (Handschriftlich auf dem Umschlag des Buches: Steinbach, Walter. Saure Wochen, frohe Feste! Berlin/Leipzig: Gustav Weise Verlag. 1937 in stark geänderter Form übernommen in N 32 Ein Kind geboren ... Ein Kind geboren! Ein Kind! Ein Kind! Von Gottes Gnadenschale die reinste Zähre rinnt. Wollet lernen, sie nicht zu trüben. Denn es muß also sein. Daß Gottes Lieben Immer tiefer schreite in alle Menschheit hinein. Siehe, von seiner Gnadenschale die reinste Zähre rinnt: Euch ward ein Kind geboren. Ein Kind! Hermann Claudius In: Steinbach, Walter. Saure Wochen, frohe Feste! Berlin/Leipzig: Gustav Weise Verlag. 1937 S.15 |
1938-1939 |
Wiegenlied für Claudia Von Hermann Claudius In deinen Augen ist ein Licht, du Kleine - Weit kommt es her. Ich weiß nicht, was es meine. Vielleicht sind wir in diese Welt verloren, aus einer anderen in sie geboren. Nun ist der Traum noch in dir von der andern. Und deine Blicke wundern sich und wandern. Wir Großen stehn und sind geheim befangen. Und können doch nicht mehr zurückgelangen. In: Hamburger Anzeiger vom 23.10.1938 geändert und mit neuem Titel "Christiane" übernommen in KG 58 26.7.1993 Hermann Claudius: Das Wunder Acht Monate noch kaum, mein Enkelkind, und so geschwind schon hast du mich besiegt in meinen grauen Haaren. Nein, das zählt nicht nach Jahren, was da aus deinen Augen sieht, was da in deiner kleinen Seele blüht! - Es ist die Welt voll Jammer rundum. Ich gräme mich in meiner stillen Kammer. Mich deucht das Leid der Erde unermessen und so, als habe Gott sie ganz vergessen. Als herrsche nur die Lüge und das Böse, davon uns keiner mehr erlöse. Doch sieh: kaum hast du leis' mich angelacht, da ist das Wunder schon vollbracht. Da ist die Welt auf einmal wieder gut! Da ist auf einmal wieder hell mein Mut! Und wie ich dich in meine Arme hebe, da denke ich nicht länger mehr, ich lebe! In: Volk und Kultur. Unterhaltungsbeilage der Berliner Börsen-Zeitung - Morgenausgabe Nr.187 S.8 vom 22.04.1939 [Hier der Urdruck des in Z 43/1940 übernommenen Gedichtes. Es erschien 2 Tage nach dem 50. Geburtstag Hitlers, "als herrsche nur die Lüge und das Böse!"] Grashüpper. En olen Rimel. Grashüpper in de Bur! Grashüpper in de Bur! Dor kümmt de Kerl mit sine Stang', wo all de Hüpperhüs an hang', Grashüpper in de Bur! Grashüpper in de Bur! Min Vadder seggt: muß sülwen fang'. Du büst jo für den Hüpper bang'. Grashüpper in de Bur! Grashüpper in de Bur! Nu heww ick doch den Groschen kreg'n un kann min' Hüpper na Hus nu dräg'n. Grashüpper in de Bur! Grashüpper in de Bur! He singt doch ok? Op jeden Fall! Un beter as de Nachtigall! Grashüpper in de Bur! Grashüpper in de Bur! Un wenn he nich glik singen deit - ick sett mi für em hen un fleit! Grashüpper in de Bur! Grashüpper in de Bur! In: Hamburger Anzeiger Nr. 165/1939 Gebet Herr, stimme meine Harfe, so tief du willst, nur nimm sie nicht aus meinen Händen, eh' ich mein armes Werk vollenden und dir in Demut danken kann. Und laß mich keine Lieder künden, die nicht von dir beschattet sind, die einer andern Sehnsucht Kind und nicht in deiner Liebe gründen! Und ist mein Saitenspiel verstummt, ist leer und öde meine Stunde, dann reiß getrost die Herzenswunde mir bis zur letzten Quelle auf! Dann werden meine Lieder rauschen, von dir gesegnet, wie ein Strom; dann klingt es wie im hohen Dom, und Erd' und Himmel werden lauschen. ohne Verfasserangabe, wahrscheinlich Hermann Claudius. Vertont von Bruno Stürmer (ca. 1939). Das Manuskript lag bei Stürmer in einer Sammlung von Hermann-Claudius-Gedichten. Gunnar Gunnarsson Von Hermann Claudius Du gehst mit schweren Schritten wie ein Bauer. Die Scholle unterm Schritte haftet schwer. Du gehst geschlechterhin, geschlechterher. Und hier und dort stehn Schatten auf der Lauer. Und wo sich eine Lücke zeigt, da treten Sie wirkend ein. Nun ist der Segen euer. Und vollgeladen fährst du in die Scheuer. Und deine Hände finden sich im Beten. Ihr kennt euch lang, dein alter Gott und du. Gestützt auf Schild und Schwert mit langem Barte, So thront er jenseits auf der hohen Warte. Und wenn du kommst, winkt er dir gastlich zu. In: Eutiner Almanach aus dem Jahre 1939 Berlin: Frundsberg 1940 S.30-31 Hans C a r o s s a Träumte es mir oder erzähltest du's, daß dir einst Goethen begegnet, als du gen Passau niederstiegst. Es hätte geregnet. Du hättest ihm artig deinen Schirm angeboten - ach! - Und so schrittet ihr beide unter demselben Dach. Ich bin auf dieses Bild wie versessen, lieber Carossa, und kann es gar nicht vergessen. In: Glossen oder Sottisen über poetische Freunde "ganz für mich solo!" 1939 |
1940-1941 |
Sonnenwende Der Abend sinkt ins Fenster ein. Wie bin ich mit mir selbst allein. Wie ist die Nacht so sternenweit. Wie furchtbar ist der Schritt der Zeit. Wie geht er eilend durch mich hin. Was will das arme Wort: ich bin? Und: Gott! - was will dies andre Wort? Es ist, als stürze alles fort. Ein Abgrund reißt sich auf, ein Schrei! Und alle Schöpfung ist vorbei. In: Eutiner Almanach 1940 Finale Herrgott, laß mich mit mir allein. Ich mag nicht länger unter Fremden sein. Ich bin für diesen Irregang zu klein. Entlaß mich zu den Meinen! Ich gab mich, schüttete mich willig aus. Doch nirgend ward ein voller Klang daraus. Ein Lächeln hier und dort. Und ja - Applaus. Ich könnte weinen. Denn immer fühl ich mehr und immer mehr, daß diese Zeit im letzten Grunde leer. Und daß ich nicht in diese Zeit gehör'- - O du mein Garten! O du, mein Weib und meine Kinder vier! Laßt uns zusammen stehn und gehn, daß wir auf dieser vorgefahrenen Erde hier der besseren Wendung warten. 16.12.: * der Seele schönerer Wandlung gläubig warten Kolding/Dänemark 15.12.40 Manuskipt in „Tagebuch einer Dänemark-Fahrt“ Een Hamborg-Leed Vun Hermann Claudius Din Jungfernstieg de makt dat nich, ok nich din Haben, Lüch bi Lüch, un Kran bi Kran, un Dock bi Dock, dat makt ok nich din Köm un Grog, nich din Burstah mit sin Gewimmel - dat, Hamborg, makt alleen din Himmel. Dor treckt de Wulken hen so swör un hebbt so sünnerliche Klör. Dor treckt se hen so gries un grot un bört de Elw in ehren Schot, as Moder, de ehr Kind wull eit. Wo deep un still dat aten deit! So deep un still, so geit din Sprak, so geit din Seel un geit din Sak, so geit din Hart, so gaht din Hann'. So giwwt' man een in dütsche Lann'. Un wenn de Sünn denn ünnergeit un Stadt un Strom in Füer steit - wat is dat schön! wat is dat schön! Min Hamborg, ja: so giwwt' man een! In: Hamburger National. Ein Buch von Hamburgern für Hamburger Hrsg. Karl Kaufmann 1940. Verlag Hamburger Tageblatt. S.44 (Einmaliger Sonderdruck für Hamburger Soldaten zur Kriegsweihnacht 1940) An Margot Daß einer in der Ferne weiß, den andern weiß, ist wunderschön. Laß mich in deine bitterernsten Fischermädchenaugen sehn! Wann war es doch? Wann war es doch? - Es ist wohl tausend Jahre her. Die Seele war wie weite See. Die Wogen gingen schwang und schwer. Wo war es doch? Wo war es doch? - Im fernen Lande Wundersam. Die See, die sang und sang ihr Lied, das uns in seine Arme nahm. Und ist es doch zuweilen mir, als ob es gestern erst geschah, daß ich in deine bitterernsten Fischermädchenaugen sah. Hermann Claudius 1941 Inmitten O heiliger Brauch: Gott anzurufen mit stummem Hauch und stillem Gesicht. Als hörte E r nicht, als ob jede Sprache I h n uns nur zerrede. Und doch - und auch: atmet nicht hinter jedem guten Worte der göttliche Hauch? (Zeitungsausschnitt ca 1941/44? - M.Speyer-Stade) |
1942 |
Birken, ihr schwanken .... Von Hermann Claudius Birken, ihr schwanken am Wege. Was steht ihr tränenschwer? Siehe, meine Seele Heimlich weint mit der euren. Wie sie sich weitet! Glasklarer Dom! Die weiße Wolke der Wehmut Steht mitten darin. Süße Träne der Sympathie! Wie sie die Welt verklärt! Göttlichen Atems Ist sie auf einmal voll. Mädchen, jungfrauliches, Was hebt deine Brüste Der Liebe entgegen, Der mörderischen - ? Süße Gewalt, die alles Wandelt! Doch in der Tiefe Mit dem Tode gepaart. Was willst du trotzen? Immer Schreitet Er neben dir. Du hörst Seinen Schritt. Es ist der Schritt des Tänzers Am Dunkel des Abgrunds, Er weiß Um alles. Armes verlorenes Herz! Doch fand ich dich wieder - Immer warest du reicher nur Denn zuvor. Lächelt am Weg, ihr Birken, Ihr schwankenden! Wundersame Gewalt der Zähre: Ich lächle mit euch. In: Deutsche Zeitung in den Niederlanden Volk und Kultur 2.J Nr.261 vom 24.2.1942 Jahrhunderttausende rinnen Von Hermann Claudius Was ist es, das auf einmal mein Herz mir bange macht? Ich liege lang und wache und sinne in der Nacht. Auf meiner Seele Grunde wogt es hin und her und wogt es auf und nieder wie Wellen auf dem Meer. Das wirbelt, wogt und brandet und wogt und endet nicht und wirft die wilden Wasser mir spöttisch ins Gesicht. Ich seh die jähen Brecher mit rauhem Blicke an und habe nur den Becher, mit dem ich schöpfen kann - - Jahrhunderttausende rinnen - du Tröpflein, du - was soll all dein Beginnen? Gib dich zur Ruh! Jahrhunderttausende rannen vor dir. - Gemach: Jahrhunderttausende werden rinnen hinternach. Jahrhunderttausende, immer, grauer Mantel der Zeit, ohne einen Schimmer froher Geborgenheit. Aber der heilige Wille, der in allem lebt! Aber der heilige Wille, der im Tropfen bebt! Der im Auge zittert nach dem ewigen Licht, den die Träne wittert, wenn sie niederbricht. Selig, wer ihn getrunken! Selig, wer ihn empfand! Selig! - Siehe, die Zähre rinnt auf die schreibende Hand. In: Deutsche Zeitung in den Niederlanden 2.J Nr.226 vom 20.1.1942 Ich weiß, woran deine Liebe zu mir zerbrach, zerbricht. Die alten Dämonen, aus Watt und Schlamm emporgestiegen, die mir im Blute noch wohnen, du magst sie nicht. Sie sind härter als dein lieber Herr Jesus Christ. Sie haben ein Lachen und ungebärdiges Gähnen, sie haben ein wollüstiges Gliederdehnen, lässig, wie Meereswelle ist. Sie sind erdenalt von Leibe und dennoch voll lästerndem, listigem Übermut und schäkern auf der grauen Flut mit des Mondes goldgelber Scheibe. Und der Mond verlischt ... Ihn verschlangen die grauen Wachen. Du hörst noch ein letztes heiseres höhnisches Lachen zwischen Schaum und Gischt. aus dem Manuskript „Huld und Schuld“. In: Wappen von Hamburg. 10.J H.3 S. 11 Sept.1942 Sanssouci Aus dem Manuskript „Huld und Schuld“ Das Haupt erhoben - leise vorgeneigt den süßen Leib, steigt sie die Marmorstufen nun lächelnd nieder. Und am Rand die Götter, sie lächeln marmorn ihrer Herrin zu. Denn eine Herrin schreitet sie herab, des Königs Leibgeliebte, Seelverwandte, des ungekannten Königs all der Schlösser, die ungesehn im Umkreis rund umher, ob deren Tore er ihr heimlich Zeichen, die E r i c a , verliebt in Stein hieß hauen, olivengrün den Grund und gold und purpurn. So schreitet sie herab in Majestät: Regina Erica et Virgo coeli. Und ihres Leibes Süße ist ihr Thron und ihrer Glieder Anmut ihre Krone. Und Leid und Lust und Lieb und Trieb und Tränen sind hingebreitet ihr, ein bunter Teppich, den wie im Traume nun ihr Fuß betritt ... In: Wappen von Hamburg. 10.J H.3 S.11 Sept.1942 In der Nacht Hermann Claudius Meines Bettes Stille ist nun um mich her. Und des Tages Wille ängstet mich nicht mehr. Alles hüllt das Schweigen in sein Dunkel ein. Was mir innerst eigen nur, verblieb noch mein. Und ich lieg zu lauschen, kaum mir selbst bewußt, dem verborgenen Rauschen in der eigenen Brust. Oder ist's von Chören aus dem Weltenall, traumestief zu hören nur ein Widerhall? Wundersame Weise singt es durch mich hin, leiser nun und leise, bis ich nicht mehr bin. Bis ich mir entschwunden, selbst mir unbekannt, für geheime Stunden in ein andres Land - - - (Zeitungsausschnitt ca. 1942) Claudia Von Hermann Claudius Mein Enkelkind du, kaum zwei Jahr', aus deinen Augen blickt es klar, wie nah Gottvater einst uns war. So nahe wie dem Baum und Strauch in ihres Wachens stummem Brauch und jedem Tier im Felde auch. Es zieht mich immer wieder hin. Es geht mir weh durch meinen Sinn, ob ich nun traurig, ob ich glücklich bin. Du holdes, helles Kinderland, was hat uns denn aus dir verbannt? - Und winkt uns Gott noch heimlich mit der Hand? - (Zeitungsausschnitt vom 29.3.1942) Weihnachten 1942 Ein Briefblatt von Hermann Claudius Bei einer Kerze Sonett von Herm.Claudius In deinem winterdunkeln Abendzimmer zünd' eine hohe weiße Kerze an. Und hast du dieses mit Bedacht getan, so setze dich und schaue in den Schimmer. Welch' selig Auf und Ab in dem Geflimmer. Und auch in dir, du stiller Stubenmann, fängt dieses Auf und Ab zu leuchten an und wandert, wächst. Und immer mehr und immer schaut all dein Leben aus dem stillen Scheine. Und wo du lieb gehabt, da leuchtet's auf, als wäre es die Liebe nur alleine, die Leben brachte aus dem Kerzenlichte. Und so, als wäre es dir zum Gerichte. Und einer Träne läßt du ihren Lauf. Weihnacht-Motette 1942 Der Heiland Jesus Christus ward geboren! Zweitausend Jahre haben viel verschüttet. Zu Kirchenbauten ward Sein Blut verkittet. Und dennoch ist das Heil uns nicht verloren. Die Er sich einst zu Jüngern auserkoren, sie waren arm und waren schlicht gesittet. Sie wußten nur, wie einer gläubig bittet, und hörten nur mit ungeübten Ohren. Und dennoch: was von Ihm sie ausgebreitet, Matthäus, Marcus, Lucas und der Eine, Johannes, der Ihm lieb war: o, wie weitet sich Deine Seele, gläubige Gemeine! Und klügle nicht und keltere die Trauben zum dunkeln Wein des Lebens durch den Glauben! 20.12.42 Johann Wolfgang und Ina und Georg Seidel Frohe Weihnachten! HermClaudius (Originalbrief im Deutschen Literaturarchiv Marbach) Eschenhus-Idyll Von der Terrasse blick' ich in den Garten. Mein treuer Kater liegt mir eng zur Seite, und ab und an so kraul ich ihm das blanke und sonnenwarme Fell. Das ist mein Garten, vom Eschenhus gen Süden bis zum Knick hin, wo Pfaffenhütchen, Weißdorn und Holunder nun ihre Blüten breiten. Es ist Juni. Vom Wege rechts, der durch des Gartens Mitte blitzsauber abgesteckt, schnurgerade hinführt, lehnt unser Apfelbaum. - Die letzten Blüten - beim leisen Windhauch taumeln sie nun nieder. Und war vor Tagen noch ein Immensummen in seiner dichten Krone, die nun grün wird. Und nah am Knick - ich nenn' ihn den Japaner, da neigt sich unser Pflaumenbaum im Bogen mit seltener Anmut - leise muß ich lächeln - als habe Hokusai ihn gezeichnet. Die Erbsenbeete, nach dem warmen Regen dünnhälsig hochgeschossen, schrei'n nach Buschwerk. Es wird mir schwindlich fast, wenn ich sie anseh. Und der Salat! Er leuchtet in der Sonne gleich einem Kissen, das ein Zaubrer hinwarf. Auch des Spinates dunkelgrüne Reihen stehn kraß und saftig. Ja, der letzte Regen! Und meiner Trude-Tochter Fleiß und Obacht! Just eben ging sie, Erbsenbusch zu schneiden. Und der Rhabarber: breit und rot gestengelt. Du schaust ihn an und glaubst dich in den Tropen. Inmitten der Johannisbeerensträucher da fängt es an, sich traubenhaft zu röteln. Und wo sich linkerhand gleich hinterm Rasen die kleine Blumenhecke - ach - Franziska, ich sehe noch dich eifrig-froh sich bücken und Irisknollen und die Bauernrosen in deinen schmalen feinen Frauenhänden mit leisem Lächeln in die Erde betten - dieselbe Erde, die dich selbst nun bettet . . . Die kleine Blumenecke hat der Winter, der bitterharte, der von Osten herkam, gar arg gelichtet. Doch die Iris - siehe! - so dicht und Schopf an Schopf sah ich sie nimmer. Ein heimlich Grüßen wohl? Wer will es wissen? Es hat der Himmel langsam sich bezogen, und immer weiter decken grau und grauer die Wolken mir den freien Blick der Sonne. Im Osten steigt es dunkelvioletten vom Horizonte auf. Die Schwalben schießen ums Dach des Eschenhus und übereifrig eilt hin und her der Star nach seinem Kasten, den noch Knecht Luten auf der längsten Leiter hoch in die Pappel hing. Längst hat der Krieg uns ihn fortgeholt. Er liegt im weiten Osten. Und dort grüßt überm Knick hin hoch die Eiche im zarten Filigranschmuck ihrer Blüten und allerersten gläser-grünen Blätter die Schwester-Eiche hinterm Haus am Hügel, wo meine beiden Eschen fast noch nackt stehen, die schlanken, ranken, reckenden, nach denen das Eschenhus den Namen hat. Ei Teufel - es zirpt ein Spatz, den Vers mir zu verderben, ununterbrochen. Doch ich ignorier ihn. Auch blökt des Nachbars Hammel auf der Wiese und zerrt im Umkreis an der Eisenkette. Doch horch! Da ist sie wieder: meine Amsel. So voll und schwer schlägt keine. Wohl, ich kenn sie. Es ist beinah, als säng sie mir zur Muße, den steten Fluß des Verses mir zu sichern - bis - Donnerwetter! - eine goldenblanke und freche Fliege, wupp, sich auf mein Blatt setzt und sitzen bleibt und sieh: mit zarten Beinchen sich ihre Flügel streift. Nun geht's nicht weiter, sonst flög sie fort. Und somit Finis. Punctum. (geschrieben vermutlich im Juni 1942) In: DIE KOGGE. Sonntags-Beilage der Lübecker Zeitung Nr.266 vom 26.9.1943 Text an einigen Stellen geändert zu dem Abdruck in „Das deutsche Hausbuch“, Berlin 1943 S.170/171 Als Elly Ney spielte ... Im beseelten Rhythmus kommen wir Menschen der Gottheit am nächsten: im beseelten Rhythmus des Wortes, im beseelten Rhythmus der Farbe, im beseelten Rhythmus der Musik. Und mich will bedünken, in der Musik am vollendetsten. Hermann Claudius 10.IX.1942 (Albumblatt mit Federzeichnung) [Auktion Dörling, Hamburg 1.12.92] Hymnus für Karlsbad ..... Laß mich trinken, laß mich trinken, laß mich tief in dich versinken, Quell, der aus der Gotteskraft wie am ersten Tage schafft! Lass' mich kleines Stundenwesen deiner Ewigkeit genesen! Laß ein Tröpflein mich - o DU ! - trinken Deiner Gottesruh! Daß ich wahrhaft bin und sei, aller Erdenängste frei ganz mit Leibe und mit Leben jenem E I N E N hingegeben, das uns hebt und das uns hält durch den Widersinn der Welt. Dampfe, Quell, und hüll mich ein! Atem du der Erde! Laß mich dir zu eigen sein in dem neuen Werde! Hermann Claudius 1942 In: zitiert bei: Egerländer Zeitungsdienst ezd Nr.37 Blatt 2 Sept.1980 |
1943 |
April, ein letzter Widerstreit von Sonne, Wind und Regen. Und jeder hofft ohn‘ Sorgen – und jeder hofft, dass morgen der Frühling siegt und uns befreit. Schon Birken ganz geheimnisvoll ihr grünes Kleid sich wirken und stehn geschmückt wie Bräute, als sei schon Hochzeit heute. Die Amsel flötet: Veigeli! Die Blümlein all, da kommen sie! Die Finken stimmen schmetternd ein. Die Sonn‘ vom Himmel lacht darein. Doch eine Wolke – schau! kommt tückisch hergezogen. Sie kümmert nicht der Blüten Pracht. Sie kommt daher mit großer Macht. Umsonsten fragt dein Herz: Warum? Die Blüten zart, die Blüten zart – mit dichtem Schnee sie deckt sie hart. Hermann Claudius Mspt für Jahreskantate 1943 Dezember Herz, sei bereit! Herz, sei bereit! Hell in des Jahres dunkelster Zeit leuchtet Licht der Ewigkeit. Um die Wintersonnenwende finden gläubig sich die Hände. Feuer lohen hoch und hehr ob des Lichtes Wiederkehr. Schließt die Kette! Schwingt den Reigen! Macht die Sonne höher steigen! Öffnet eure Herzen sehr heil’gen Lichtes Wiederkehr! In das Dunkel unsrer Zeit leuchtet Licht der Ewigkeit. Seid bereit! Seid bereit! Hermann Claudius Mspt Jahreskantate 1943 An Weinheber Ich singe und du hämmerst. Und Gott Vater läßt lächelnd uns gewähren, denn E r weiß es: vor I h m da schweigt mein Lied und sinkt dein Hammer. zitiert bei Schönfeld, An Hermann Claudius zum 65. Geburtstag Rheinisch-Westfälische Zeitung Essen vom 22.10.1943 Durch Wolken klüftete der Mond und gleißte überhin das Meer. Die Wasser überschäumten sich. Im Nachtwind ächzte noch der Wald, Marienkäfer zauberisch aus Laubesdunkel funkelten. Auf einmal fühlt' ich Deine Hand, auf einmal sah ich Dein Gesicht - im Winde flatterte Dein Haar. Du lächeltest. Es fiel der Mond aus Wolkenspalt mir in den Blick. Da schwand Dein Bild. Im dunkeln Laub Marienkäfer funkelten. Hermann Claudius 7.7.43 [mit handschriftlicher Notiz:] der eine ganz große tiefe Sehnsucht hat nach Dir. 27.X.43 In: Mittagsblatt, Hamburg Freitag, 22.10.1943, S.5 Nachtlied von Hermann Claudius Ich flehe die guten Geister an um die Mitternacht, einer der guten Geister halte bei dir die Wacht. Da, wo die Stätte ist, wo dein Atem geht - da, wo dein Bette ist, wo mein Atem dich noch umweht. Ach, wir atmen nun voneinander wohl windeweit. Du und ich ohne einander - sage, was ist uns die Zeit? Ich flehe die guten Geister an um die Mitternacht, einer der guten Geister halte bei dir die Wacht. Der gute Geist sei bei dir, der schon mit meinem Ahnen war. Heimlich streichelt er dir und lächelnd dein loses Haar. In: National Zeitung, Essen 14.J Nr.303/304 vom 8./9.11.1943 Reimerei über das Sonett 's ist ein vertraktes Ding, so ein Sonett: Fünffüßige Jamben und dazu die Reime. Und so, daß der Gedanke nicht verschleime. Und nicht zu mager und auch nicht zu fett. Und auch dabei ein weniges kokett! Im Süden trieb es seines Wesens Keime. Und daß man, wo es brüchig, klug verleime! Wie einer Cello spielt - im Flageolett. Und daß es mehr als bloße Worte werde und soll es sich nicht eitel überpurzeln, so muß es doch auf deutschem Boden wurzeln und Säfte saugen aus der deutschen Erde. Und nicht nur „Lichter“ hab' es, sondern Seele - womit ich mich als Dichter ihm empfehle. In: Münchner Neueste Nachrichten Nr.7 vom 8.1.1943 Schwalben Von Hermann Claudius Zwitschernd, schwatzend und in dichten Reihen hockt ihr auf den Telegraphendrähten, weißgebrüstet all und spitzgegabelt all die Schwänzchen. Und das Flügelspreizen zittert hin und her. Die dunkeln, blanken kugeligen Äuglein sind voll Blitzen und die Köpfchen hin und her vor Unruh. Ach, die Sehnsucht nach des Südens Ferne, nach der Ferne, die ihr nie erschautet, doch die euch im Blute liegt. Was weiß ich? Treibt es doch mich selber, daß ich flöge, wären Flügel mir wie euch gewachsen. Doch so kleb' ich an dem Ort und heiße Heimatliebe es, wie es denn Tiere auch genugsam gibt, die ihre Höhle, darin sie geboren, nie verlassen. Bin ich euch doch mehr verwandt, ihr Schwalben. Immer hockt sie zwitschernd auf den Drähten, meine Seele, ach, und spreizt die Flügel, spreizt die Flügel, ach - und bleibt am Orte. Will ihr nimmer doch der Flug gelingen. Einmal wird es sein. Und eine Ahndung lebt davon in mir und will nicht sterben: daß die Seele oder was zuinnerst ich, ich selber bin, des Körpers ledig, den wie eine Schale ich zurückließ, frei und groß und nur sich selbst gewärtig selige Mitte sei und in sich ruhe, wie der Gott, eh' Er die Welt geschaffen, nur ER SELBER war. O heilige Sehnsucht! Zwitschernd, schwatzend ihr in dichten Reihen - morgen werden alle Drähte leer sein. In: [Zeitung aus Hamburg] Nr. 205 vom 25.? 9.1943 Heldengedenken Von Hermann Claudius Die ersten gelben Primeln halten wir in der Hand, legen sie in Gedanken nieder in fremdem Land auf jenen Hügeln allen ohne Kranz und Stein, wo ihr kämpfend gefallen. Und wollen bei euch sein. Ohne große Gebärde, ohne großes Wort. Heilig sei die Erde! Heilig sei der Ort! Helden ihr, lebendig, was auch kommen mag - in uns herzinwendig bis zum letzten Tag. Primeln sollen blühen zwischen uns und euch und der Glaube glühen für das Deutsche Reich! In: Deutsche Zeitung in den Niederlanden 3.J Nr.286 vom 21.3.1943 |
1944 |
G o t t - im Rauschen seines Laubes lobsingt Dir der Baum. Jede Blüte im Garten ist deines Preises voll. Aus dem Dämmern des Waldes ruft der Pirol. Und am Bache bebend lausch' ich dem Sange der Nachtigall. Dich flüstert der Wind im Hain. Und der Sturm auf dem Meere schreit Deinen Namen. Fühlt nicht der Krieger im Prall der Granaten furchtbar Dich, Gott? Alloffenbarer Du meiner Seele - laß mich Dich preisen, laß im Gesange all mich umfangen, was je Dir lobsang: Rauschen des Laubes, Lächelnd der Blüte, Schluchzen der Nachtigall, Ruf des Pirols, Flüstern des Winds im Hain, Sturmschrei des Meeres - ja: Bellen der Schlacht - - Mein Herz - ach, du verzage nicht! Hermann Claudius (Herbstliche Rhapsodien VI) In: Der Wagen, Lübeck 1942-44 S.179-183 geändert übernommen in: Schleswig-Holstein 10/1957 Herr, ich lobsinge Dir! Gott Du, ich danke Dir! In Deiner Ewigkeit, Herr Du, erhöre mich! Sieh hier mich knien Du auf Deiner Erde hier, Schemel der Füße Dein! Wär' ich gering - auch Du, Herrgott, verzeih es mir! - wärest der Gott Du nicht, der mir im Herzen wohnt. Herrgott herzinniglich, Meister Du minniglich, Vater, erhöre mich! Amen! - Das bitt' ich Dich Der ich Dich fühle nah! AMEN PER SAECULA! Hermann Claudius (Herbstliche Rhapsodien VII) In: Der Wagen, Lübeck 1942-44 S.179-183 leicht geändert übernommen in: Schleswig-Holstein 10/1957 Morgengrauen Von Hermann Claudius Die Pappel steht im Winde und rauscht ihr altes Lied. Die Zeit die graue Binde sich um die Augen zieht. Sie mag es nicht mehr sehen, was ewig sich vertauscht. Geschehenes Geschehen. Die Pappel steht und rauscht. In: Deutsche Zeitung in den Niederlanden Volk und Kultur 4.J Nr.287 S.5 vom 22.3.1944 Gisela Von Hermann Claudius Der Tag noch nachtverhangen. Du bist schon fortgegangen. Doch immer noch und immer verspür ich dich im Zimmer. Ist all ein Winken, Weben von deinem jungen Leben, du meines Herzens Wonne. Im Osten steigt die Sonne. In Freuden und in Leiden gehört der Tag uns beiden. (Zeitungsausschnitt 1944) An Gisela Man möchte nichts jetzt als nur Gärtner sein, der heimlich Samen in die Erde bettet und seine Seele so vor Sorgen rettet, als wäre er Getrösteter. Allein auch dieses wäre Wesen nicht, nur Schein, der uns dem Stundenwerk aufs neu verkettet. Wo ist die Allmacht, die uns selber rettet? Wann weckt auch uns ein Frühlingssonnenschein? So harren wir und harren wir im Dunkeln und hören über uns den Ewigen schreiten und lächelnd wohl ob unseren Dunkelheiten -. Doch sehe ich zur Nacht die Sterne funkeln, so ist es mir, als bräche nun die Hülle und mich umfinge Seine Gnadenfülle ... In: Hamburger Fremdenblatt. 116.J Nr.108 S. 1 vom 19.4.1944 Gisela Von Hermann Claudius Was soll es großer Lieder? Ich liebe dich so sehr wie die Sonn' den Flieder, so wie der Sturm das Meer, so wie der Halm die Ähre, so wie das Gras den Tau. Ist nichts, das ich begehre als dich, geliebte Frau ... Der Schöpfungstage sieben umstehn mich feierlich. Ich kann nicht anders lieben als lieben nur durch dich! (Zeitungsausschnitt 15.Nov.1944) Liebeslied Und immer wieder stand ich am See. Und immer wieder trank ich mein Weh. Und immer wieder sah ich es ein: wir können nicht ohne einander sein. Nicht ohne einander wie Wolke und Wind, die ewig unzertrennlich sind. Nicht ohne einander wie Schatten und Licht, daß eines sich am andern bricht, daß eines sich am andern hebt, daß eines von dem andern lebt. Nicht ohne einander wie Tag und Nacht, wie G o t t von U r her es gedacht. Wie Atem G o t t e s immerzu hinausgestoßen: ich und du. In: Heim und Kleid. Deutscher Hausschatz, Nürnberg. Jan.1944 S. 7 Drei Liebeslieder Von Hermann Claudius War in einem andern Land. Gingen beide Hand in Hand. Land der götterheitern Ruh. Gingen beide, ich und du. Vögel sangen in dem Hain. Mein war dein und dein war mein. Rundumher ein Blütenkranz. Unser Schreiten war ein Tanz. Unser Wort, das war Gesang. Und die weite Halde klang. In: Hamburger Tageblatt. 16.J Nr.144 vom 27.5.1944 Laß mich deine Hände halten. Was uns bindet, weiß ich nicht, du in meiner tiefsten Seele ungesungenes Gedicht. Laß mich deine Hände halten, bis es in dich überquillt alles, was in meiner Seele dir gewillt, nur dir gewillt. In: Hamburger Tageblatt 16.J Nr.144 vom 27.5.1944 Was ist denn nur geschehen? Und ist wohl wunderbar. Allüberall ein Wehen von deinem blonden Haar. Allüberall ein Winken von deiner lieben Hand, allüberall ein Blinken bis an des Baches Rand. Und aus dem Wasser schauen zwei Augen auf mich her. Ach, deine stillen blauen - und ach, so liebesehr. Es will mich schier betören. Ich schließ die Augen zu. Wann darf ich dir gehören, o du - - - - ! In: Hamburger Tageblatt. 16.J Nr.144 vom 27.5.1944 Der Besuch Von Hermann Claudius Eben ist der Morgenbesuch fortgegangen. Ich fühle noch seinen Atemzug in der Stube hangen. Der fremde Geist, der mich umweht', will noch nicht weichen. Ist alles umher noch fremdes Gerät, nicht meinesgleichen. Ich habe mich endlich umgewandt: du glaubst an Gespenster? - Und hebe lächelnd meine Hand und öffne das Fenster. In: Zeitungsausschnitt vom 25.11.1944 Für H a n s G r i m m am 1. Dez. 1944 von Hermann Claudius Und dennoch bin ich der Poet, der gern die eignen Wege geht, die keiner weiß, die keiner kennt, wo ihn von sich kein andres trennt, wo er nur bei sich selber sei, ja, von sich selber selber frei, nur jener innern Stimme hört, die in ihm selbst nach ihm begehrt, so wie die Gottheit ihn gedacht, da er geboren ward zur Nacht. - - - - - - - - - - - - - - - - Der Weg geht hin in Dämmerung. Die Birkenstämme gleißen jung. Sie stehen nackt und zier und zart, tief eingebettet ihrer Art. Und stehen stumm und doch beredt. So geht der Weg und geht und geht. Mir ist, als lief ich nackt und bloß der großen Mutter in den Schoß. - - - - - - - - - - - - - - - - [Am Briefkopf von Claudius' Hand die Zeichnung einer Blume mit weit geöffneter Blüte.] Waltraud Von Hermann Claudius Erst sechzehn Jahr und fast noch Kind und zart wie Frühlingsblüten sind. Und wie ein Reh so scheu und schön. Ich wagte kaum, dich anzusehn. Und sah dich doch. Und du sahst mich. Und da war keines mehr für sich. Und unserer Stimmen Flüsterton, der war in sich verschwistert schon. Ach, du gar zärtliche Gestalt - was gilt der Seele jung und alt? Weiß keine, wo, weiß keine, wann - vergib, wenn ich dir wehgetan! - In: Deutsche Zeitung in den Niederlanden. Nr.59 S.5 vom 5./6.8.1944 Gisela Daß wir einander gehören, steht in den Sternen geschrieben. So mußt' ich dich, mußtest du mich lieben. Und wie durch die Äonen wandelt der Sterne Reigen, so bin ich dir, bist du mir innerst eigen. Lehne dich an mich und schaue in das Sternegeflimmer. Du und ich, ich und du scheiden uns nimmer. (Zeitungsausschnitt Dez. 1944) G i s e l a Nun bist du vorgedrungen bis in mein tiefstes Wesen, seit ich dein Lied gelesen, das du mir hast gesungen. Blieb mir der Atem stocken, von Jauchzen hingerissen, gedoppelt dich zu wissen. Und stand und schier erschrocken. Den Ort in mir, den nimmer noch Liebe je erklommen, hast du nun eingenommen in schöpferischem Schimmer. O unfaßbarer Segen: daß nichts dem Bunde fehle, liegt Seele nun an Seele wie Leib an Leib gelegen. Dem G O T T , der es geduldet, will dieses Lied ich weihen. Er möge mir verzeihen, der ich I H M tief verschuldet! Wie eine hohe Halle so wölbet sich das E I N E , das Meine und das Deine. Die Orgel braust mit Schalle. Wir neigen am Altare in Demut stumm uns beide, daß E R in Lust und Leide in Gnaden uns bewahre - - in einem Brief an Hans Grimm vom 14.12.1944 Hymnus Von Hermann Claudius Wozu trinkt unser Aug' das Schöne ein? Was nötigt uns, es immerdar zu trinken? Vielleicht wird es der Seele edler Wein, wenn uns die Götter zu dem Mahle winken. Dann hebt die Seele freudig den Pokal, so freudiger, je froher sie getrunken. Und alle Götter stehen auf vom Mahl. Und alles Dunkle ist hinabgesunken. Und ist um dich ein Klingen und ein Licht, wie es noch nimmer deine Unruh stillte. Und alles ist gesammelt im Gedicht. Und leuchtend stehst du lächelnd: der Erfüllte. (Zeitungsausschnitt 25.7.1944 – M.Speyer-Stade) Abendlied Wohl, es gibt eine Stille - ist nicht von dieser Welt. Nur deine ahnende Seele weiß davon. Ist wie ein Vogelsingen und doch ein andrer Klang. Wer sie nicht hörte, wahrlich, weiß nicht um sie. Wer aber sie erhorchte, nie vergißt er den Ton. Immer steht er harrend, ob er nicht wiederkehre. Soll ich von Engeln singen, faltenreichen Gewands - schwebend mit goldnem Fittich selig dahin? Komm, o holde Musik, heilige, jenseit dem Wort! Sei es Orgel, sei's nur einer Flöte Getön! Wohl, es gibt eine Stille, ist nicht von dieser Welt. Nur deine ahnende Seele weiß davon. (Zeitungsausschnitt ca 1941/44? - M.Speyer-Stade) |
1945 |
Arthur Illies - '75 (Zum 75. Geburtstag von Arthur Illies am 9. Februar 1945) Du bist der seltene Meister, der nimmer ruht. Noch immer gärt es und treibt es in Deinem Blut. Du bist wie alter, edler Burgunderwein und willst wie er mit Andacht getrunken sein. So heb' ich mein Glas, heb' Deines! Es gelte der Klang! Kurz ist das Leben und nichtig, die Kunst ist lang. In: Arthur Illies. Zeichnungen, Briefe, Lüneburg. Hrsg von Kurt Illies. Hamburg 1985: Hans Christians Verlag. S. 40 An ein junges Mädchen Sie klingen nicht umsonst so gleich, Liebe, Leid, Lied. Sie sind so Hölle als Himmelreich, Liebe, Leid, Lied. Sie kommen, wie die Winde gehn, Liebe, Leid, Lied. Du mußt es lassen still geschehn. Liebe, Leid, Lied. Halt nur dein Herze immer hin - Liebe, Leid, Lied. Das ist des Lebens weher Sinn. Liebe, Leid, Lied. Denn wen sie ließen bar und frei, Liebe, Leid, Lied, der lief am Leben doch vorbei. Liebe, Leid, Lied. In religio Von Hermann Claudius Immer enger ward das Wort E w i g k e i t , als schwänd es fort aus dem seelischen Bereich, unstet, einem Schatten gleich, und als fänd in Hetz und Hatz länger mehr es keinen Platz, wo es von den Dingen frei bei sich selbst zu Gaste sei, wo es zwischen Nacht und Tag sich allein gehören mag. Langsam sag ich's für mich hin: E w i g k e i t - und weiß den Sinn, ob er auch dem Wort entblüht, ungesagt mir im Gemüt. Und je mehr ich mich ihm neig', ist es heimlich mir, als steig' von ihm auf ein stummer Glanz und umfang die Seele ganz, himmlisch wie ein Heiligenschein. Und ich bin mit ihm allein wie auf alten Bildern gar, als noch fromm der Bildner war und aus seiner Seele tief hob, was darin lag und schlief, halb die Augen aufgetan. Ei, ihr lieben Mal-Kumpan Dürer, Rembrandt, Jan van Eyck - - Auge schau und Lippe schweig. Wohl die Seele wird mir weit. Und ein Fähnlein wird die Zeit. Und sie flattert wie ein Band lose mir in meiner Hand und entgleitet mir. Ich bin in dem Ewigen mittenin, in dem Ewigen, das wird und mit keinem Werk sich irrt, dessen ich auf seiner Spur selbst ein flüchtig Zeichen nur, doch ein Zeichen immerhin. Und so weiß ich, daß ich bin. Und die Seele wird mir weit - - Atemzug der Ewigkeit. (Zeitungsausschnitt 27.3.1945 - M.Speyer-Stade) Ich geh durch eine Stille und gehe durch ein Licht. Mein Wünschen und mein Wille - die wußten beides nicht. Und wie ein Blinder geh ich und horch mit taubem Ohr. Und alles innerst seh ich. Klein Klang, der sich verlor. Und wem's nicht widerfahren, dem widerfuhr es nicht. So rundet sich nach Jahren die Frucht, eh Gott sie bricht. Er sieht wohl auf sie nieder mit einem Blicke mild. Dann hat E R ins Gefieder der Sterne sich gehüllt. 18.12.1945 [Aus einem Brief an Hans Grimm, Möller 5/153] |
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Freund H a n s , Du bliebst derselbe: Du eintest Rhein und Elbe in Heiterkeit und Pflicht. Soviel auch um dich warben, Du ließest keinen darben und hobest sein Gesicht. Als Zeitungsmann geboren, der nie sein Herz verloren - hier lächelt leis der Hans – bist Du in Last und Lieben der Lächelnde geblieben und immer gut und ganz. Nun sich die siebzig jahren - wir können’s kaum gewahren – schenk ein, schenk immer ein! Es leb‘ das bunte Leben! Wie’s war, so war es eben und soll es fürder sein. Hermann Claudius für Hans Sommerhäuser zum 70. Geburtstag In: Hamburger Anzeiger vom 12.11.1955 Gisela! Laß Dich meine Liebe umfangen in frei sich tummelnden Rhythmen! Der Reime braucht es nicht. Sie stecken schon heimlich wieder durchs Abendgesträuch ihr Gesicht. Aber ich wende mich ab und hebe den Blick den Wolken entgegen, wie sie im Feuer der sinkenden Sonne stehn. O Liebste, das Leben ist herrlich und schön, seit ich Dich weiß und Deine Liebe zu mir. Nichts, wohin ich auch immer schaue, ist ohne Dich, ohne Dein helles Auge, Deine heitere Stirn, Dein Haargelock. Es wiche wahrlich alles ins haltlose Leere, wärest nicht Du mir Spiegel der Welt. Wer gab ihn mir in meine Hand? Siehe, der Mond ging auf und zieht durch ihn hin, anders, als er am Himmel stand: silberne Kugel zwischen Dir und mir, im Spiele geworfen. Es breitet der Baum seiner Äste Gewalt durch uns beide hinauf zu den Sternen. Dort wandeln wir hin. Du lächelst. Da lädt uns die Erde wieder zu sich zurück. Die Wälder singen . . . Laß Dich umarmen! Laß mich in Dir umarmen alles, was ist. HermClaudius 30.1.55 Vor der Tür in die Große Ratsstube (Herrn Stadtkämmerer Dr. Bötcher in gut-lüneburgischem Sinne und in persönlicher Freundschaft Sein Hermann Claudius Eschenhus, den 4.4.55) Daß wir die Türen in die Wände schieben, als sei die Tür in Wahrheit gar nicht da, das sagt uns wortelos, was uns geschah, und daß wir, was wir waren, nicht geblieben. Die Würde ist dahin. Sie war den Türen noch mitgegeben von des Menschen Hand. Es war Gefühl und war nicht nur Verstand, von einem Raum zum anderen zu führen. Die offene Tür: welch' festliche Gebärde! Welch Wartendes: Was werde nun gescheh'n? Nun ist da heute nur ein Loch zu seh'n und nicht das leise Warten: was noch werde. Und unsere Stuben sind nicht mehr geschlossen. Man glaubt den eignen Wänden gar nicht mehr. Wir schieben sie im Geiste hin und her und treiben miteinander nichts als Possen. Der alte Meister hatte seine Bürde, schuf er die Tür, das Amen für den Raum. Ich seh' ihn oft am Werke noch im Traum und sehne mich nach seiner Zeiten Würde. In: Landeszeitung für die Lüneburger Heide. Niedersächsisches Tageblatt. 35.J Nr.297 vom 20./21.12.1980 Heidelied Die Birke und der Holder, die geben euch Bescheid: die eine ist die Freude, der andre ist das Leid. Versunken denkt der Holder Jahrhunderte zurück. Die Birke lacht und leuchtet der Stunde grünes Glück. Das ist das Lied der Heide, das sie mir anvertraut: die Lerche aus dem Himmel, die Immen aus dem Kraut. 1955 „Auf Einladung des Vorsitzenden des Vereins Naturschutzpark weilten zahlreiche niederdeutsche Dichter in Wilsede, unter ihnen auch Hermann Claudius. Er widmete uns sein hier abgedruckten ‚Heidelied’“. In: Naturschutzparke. Mitteilungen des Vereins Naturschutzpark, Stuttgart/Hamburg Heft 5 Dez.1955 S.101 In: der neue Bund. Wien 4/1958 S.183 Ein Stück Papier Ein leer Papier im Lampenlicht - - Noch hat es kein Gesicht. Das hat mir leidgetan. Ich setz die Feder an. Da ist es schon geschehn: sieht mich an, dich und den, wird wieder angesehn, bekrittelt und belacht - - - - - - - - Nur sacht, Papierchen, sacht! Nur keine Angst! Geduld: Ich berge dich im Pult! In: DIE HOREN, Hannover 3/1955 und 6/1958 S.11 |