Schülerinnenbriefe

„Sie können sehr schön dichten“ – 

Schülerinnen schreiben Briefe an Claudius

1932 hatte die Hamburger Lehrerin Fräulein Hinrichsen eine Idee zu einem Unterrichtsprojekt: Könnte man nicht Kinder für die Lyrik gewinnen, wenn sie einen direkten Kontakt zu dem Autor aufnehmen, dessen Gedichte sie im Unterricht lesen? 

Nebenbei lernen sie vielleicht einen Brief zu schreiben, sie reflektieren, wie man einen Promi anspricht, und sie machen sich eventuell sogar Gedanken zu ihrer Rechtschreibung sowie Lesbarkeit ihrer Handschrift: moderner, kompetenzorientierter Deutschunterricht!

Wie Hermann Claudius auf diese Briefe reagiert hat, ist nicht überliefert.

Hier sind fünf Beispiele für kritische Rezensionen junger Leserinnen.

 Hamburg. d. 4.2.1932.
            Sehr geehrter Herr Klaudius.
Ich möchte Ihnen ein paar Wörter
schreiben. Unsere Klasse sagt
viele Gedichte auf, wo (si) Sie ge-
dichtet haben. Aber Sie möchten gern
hören welche wir auf sagen. Sie
heißen (K) die Büchsenjungens und
Dör Dör verrat mi nicht. Wenn ein
Mädchen ein Gedicht aufsagt was
Sie Gedichtet haben, dem sagen wir
das ist schön. Dann sagen wir
das ist von Hermann Klaudius.
Jetzt muß ich schließen!
                Nun viele
                  grüße von
                  Ella Röder.
     Weidestr. 22, III

Hambg. d 4.2.32
           Sehr geehrter Herr
                     Claudius.
Herr Claudius Sie wissen vie-
leicht noch nicht, daß wir im-
mer Gedichte aus Bodderlicker
sett di lernen ist es nicht
war? Darum will ich es Ihnen
einmal erzählen. Wer von uns
das Buch hat wo die kleinen
niedlichen Gedichte in stehen lernt
daraus das niedlichste. Ich habe
das Buch auch und lerne tüchtig
die Gedichte. Aber am hübschten
ist doch das letzte das heißt:
Holl ob, (und), aber die andern
sind auch niedlich.
        Viele Grüße von
          Thea Muk
und der Schule, Hinrichtenstr. 17

Hamburg, d 4.2.32.
          Sehr geehrter Herr Claudius!
Sie können sehr schön dichten. Ich möchte
auch dichten. Büchsenjung ist zu schön.
Wir sagen in der Schule Gedichte auf,
ich sage auch Gedichte von Ihnen auf.
Radio ist zum lachen. Bodderlicker
sett di habe ich nicht, ich schreibe die
Gedichte ab, von einer die das Buch
hat. Ihr Großvater Matthias kann
auch schön dichten. Bei uns im Lesebuch
steht bloß ein Gedicht von ihm. Aber
Fräulein Hinrichsen hat von ihm schon
was erzählt.
           Viele Grüße
                   von Ihrer
        (L) Leserin
               Margot Höhse

Hamburg den 4.2.1932
            Lieber Herr Klaudius.
Unsere Klasse nimmt
sehr viele Gedichte von ihnen.
Wenn wir die fragen, die ein
Gedicht nimmt sagt sie
fast immer: „Von Hermann
(Ch) Claudius.“ Büchsenjungs
ist sehr niedlich, und Dür dür
verrat mi nicht, erst recht.
Ich wohne in Hinrichtenstraße 25
und heiße: Inge Langgosch.
         Darum seien sie
vielmals gegrüßt von
       Inge Langosch.

Hamburg 22.d 4.2.1932.
    Sehr geehrter Herr Claudius!
Ich habe von Ihnen schon sehr viele Gedichte gelesen,
sie gefallen mir alle. In dem Bücherverzeich
nis stand auch das Buch „Bodderlicker sett di!“
Ich wünschte es mir zu Weihnachten,
aber ich bekam es leider nicht.
Hoffendlich bekomme ich es zu meinem
Geburtstag. Ich kenne ein Gedicht von
(Matthia) Matthias Claudius es heißt
„Kunz und Hinz,“ es ist sehr niedlich.
             Viele Grüße sendet Ihnen
                           Irma Laage.